Mittwoch, 06.12.2023 19:31 Uhr

Martin Walser und "Ein fliehendes Pferd"

Verantwortlicher Autor: Schura Euller Cook Wien , 30.07.2023, 21:24 Uhr
Presse-Ressort von: Dr.Schura Euller Cook Bericht 6642x gelesen

Wien [ENA] Mit Martin Walsers Tod am 28. Juli 2023 ist wahrscheinlich auch ein Stück deutscher Nachkriegsliteratur verblasst, in der die deutsche Prosa zukunftsfreudig und doch innerlich und nachdenklich ein Lebensgefühl ausdrücken wollte, dass sich zwischen bürgerlicher Gelehrsamkeit, Wirtschaftswunder und Übertreibung bewegt und in dem ein psychologisierender Grundton dem Leben eine gewisse Vitalität vorenthält.

Mit der Novelle "Ein fliehendes Pferd" hatte Martin Walser nach zahlreichen Romanen 1978 endlich den Durchbruch geschafft und einen Bestseller geschrieben, der in seiner Geschichte Menschen zeichnet, deren Lebensentwürfe doch irgendwie den damaligen Zeitgeschmack trafen. Obwohl die Sprache sehr gekonnt gesellschaftliche Konflikte herausarbeitet, fehlt ihr manchmal doch eine gewisse Raffinesse und Feinheit. So bleibt sie oft an der rauhen Oberfläche, deren Konturen und Lächerlichkeiten sie bloßlegt. Vielleicht deshalb bemerkt Martin Lüdke auch den "stetig steigenden Unterhaltungswert" von Walsers Prosa, während Joachim Kaiser den "Seelen-und Worte Dschungel" in der Novelle vermisst.

Die Geschichte schildert das zufällige Zusammentreffen zweier älterer Schulfreunde im Urlaub am Bodensee. Der Gymnasiallehrer Helmut Halm und Ehefrau Sabine sind überrascht den Journalisten Klaus Buch zu treffen, der wesentlich jünger aussieht als sein Schulfreund Helmut und mit seiner jungen, erotischen Frau Helene sich sehr bald als sexuell befreiter Erfolgsmensch, besessen von Fitness und gesunder Ernährung, präsentiert und dabei den Gymnasiallehrer in die Ecke des verklemmten und spießigen Kleinbürgers stellt. Es ist klar, dass aus dieser Konstellation der Protagonisten ein interessantes Spannungsverhältnis entstehen muss, dass Walser auch sehr gut bei einem Segelausflug zu einem dramatischen Höhepunkt gebracht hat.

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