
Dirk Oschmann "Der Osten als westdeutsche Erfindung"
Wien [ENA] Ob es sich bei Dirk Oschmanns Buch "Der Osten - ein westdeutsche Erfindung: wie die Konstruktion des Ostens unsere Gesellschaft spaltet" nur um eine sanfte Kritik über die Schieflage des öffentlichen Diskurses zwischen Osten und Westen geht, oder ob dahinter eine Art von DDR-Nostalgie, Demokratieskeptizismus oder um eine "vorauseilende Gehorsamkeit" wegen dem Angriffskrieg auf die Ukraine steckt, bleibt offen.
Tatsache aber ist,dass das Buch auf großes Interesse stößt, obwohl es eigentlich nichts besonders viel Neues zu sagen hat. Zwar besticht die gediegene Sprache des Literaturprofessors, der in der DDR aufgewachsen ist, aber er hatte wohl nach der Wiedervereinigung 1990 genug Zeit über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und Europa nachzudenken um sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Deshalb dreht Oschmann in seinem Buch auch den Spieß um und spricht nicht vom Problemfeld Osten, sondern vom Problemfeld Westen und stellt die Frage, auf welche Weise Westdeutschland die ehemalige DDR wahrnimmt. Dabei ortet er in dem Begriff "Ostzone" jede Menge Zurichtung, Diffamierung, Diskriminierung und Benachteiligung.
Deshalb ist auch seine Forderung, die DDR als Teil der gesamtdeutschen Geschichte zu begreifen und nicht als "klapperndes Anhängsel" verständlich. Aber was bedeutet diese Forderung? Würde das nicht heißen, die ehemalige DDR, trotz 17. Juni 1953 und der Revolution von 1989, neu zu bewerten? War die DDR trotz extrem strenger staatlicher Kontrolle, harter Arbeitsnorm und andauernden Konsummangel, vielleicht doch ein "Friedensland", das seiner Bevölkerung eine "asketische" Grundhaltung anerziehen wollte? Nun, die Massenflucht 1989 hat gezeigt, dass man eine Bevölkerung nicht am Reißbrett planen kann und dass das politische Experiment gescheitert ist, denn Menschen denken und fühlen unterschiedlich und brauchen Freiheit, aber auch Ordnung.